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Online- und Web2.0-Nutzung in der Analyse

Belegbare Daten über die Nutzung des Internets als solchem und explizit über die Nutzung von Web2.0-Anwendungen können NGOs wichtige Anhaltspunkte darüber liefern, wie intensiv sie ihren Webauftritt pflegen, welche Elemente er enthalten sollte und welche Kommunikationsform mit den Nutzern der eigenen Seite am erfolgsversprechendsten sind. Die aktuelle ARD – ZDF Onlinestudie 2008 bietet hierfür eine Vielzahl an Anhaltspunkten, die im Folgenden analysiert werden sollen.

Online-Nutzung allgmein

Die Deutschen verbringen immer mehr Zeit im Internet: im Schnitt ist jeder Erwachsene täglich 58 Minuten (2007: 54 Minuten) online. Gleichzeitig bleibt der Fernseh- und Hörfunkkonsum im 1. Halbjahr 2008 mit 225 Minuten (1. Halbjahr 2007: 225 Minuten; GfK) beziehungsweise 186 Minuten (2007: 185 Minuten) täglich konstant.


Interessant ist dabei, dass offenbar neben der Zunahme der Nutzung auch eine Verschiebung der Nutzungszeit stattgefunden hat.  So analysiert politik-digital.de, dass immer mehr Nutzer zur ürsprünglichen Fernseh-Hauptzeit, also zwischen 20 und 22 Uhr, online gehen. Sie zitieren: „Zwar ist weiterhin eine erste Primetime am Vormittag auszumachen, zum Beispiel für die E-Mail-Kommunikation und den Informationsupdate, aber die primären Nutzungszeiten liegen nun am Vorabend und in der Fernseh-Primetime zwischen 20.00 und 22.00 Uhr.“ Hieraus lassen sich auf Rückschlüsse auf das Informationsverhalten der Deutschen ziehen, die offenbar häufiger statt der Tagesschau das Internet zur Information nutzen.

Digitale Spaltung

Im Online-Verhalten der Bundesbürger lässt sich zudem eine seit längerem konstatierte digitale Spaltung unserer Gesellschaft feststellen. Dabei geht es nicht um die rein formale Spaltung zwischen On- und Offlinern, sondern zwischen Viel- und Wenignutzern. Und die Vielnutzer sind dabei auch die jünsten Nutzer. In der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen sind die aktivsten Nutzer unterwegs: mit 120 Minuten täglich verbringen sie mehr Zeit im Netz als mit fernsehen (100 Minuten) oder Radio hören (97 Minuten). Besonders attraktiv für Jugendliche sind multimediale Anwendungen und hier vor allem Videos im Netz: 92 Prozent der Jugendlichen rufen Videos ab und schauen live oder zeitversetzt Fernsehsendungen im Netz. Hier wächst also wie vermutet eine sehr viel online-affinere Generation heran, die bereits jetzt ihr Mediennutzungsverhalten stark geändert hat. Diesem kann und muß mit entsprechenden Angeboten begegnet werden.

Web2.0 Nutzung

Ein eigenes Kapitel der ARD-ZDF-Onlinestudie widmet sich dem Web2.0 und bringt weitere spannende und für NGOs durchaus nutzbare Erkenntnisse mit sich. Folgende Thesen lassen sich ableiten:

  1. Das Interesse und die Nutzung von Web2.0-Inhalten steigt an, insbesondere unter Jugendlichen
  2. Die Anzahl derer, die auch eigene Inhalten einstellen, ist gering – hieraus kann die Chance oder das Risiko von Meinungselitarismus abgeleitet werden
  3. Soziale Netzwerke ersetzen für Jugendliche in Teilen die klassischen Online-Kommunikationswege (insbesondere e-mail), die zukünftige Kommunikation mit dieser Zielgruppe muss dies in Betracht ziehen

Betrachten wir dies genauer an Hand der vorgelegten Zahlen:

Web2.0 lebt vom Mitmachen, also davon, dass die Nutzer selbst(ständig) eigene Inhalte in das Internet einstellen, sei es in Form von eigenen Artikeln, dem Erstellen von Profilen, dem Hochladen von Videos oder Fotos oder das Kommentieren von Artikeln anderer. Während bis dato gerade mal ein Drittel der deutschen Internetnutzer ein Interesse an dieser aktiven Teilnahme im Internet hat, liegt dieser Anteil bei Teenagern mit 57% deutlich höher. Von diesem Interesse haben im letzten Jahr insbesondere die Sozialen Netzwerke, wie StudiVZ, MySpace oder Facebook, profitiert. 48% der Jugendlichen sind zumindest wöchentlich bei diesen Angeboten aktiv, unter allen Internetnutzern hat sich diese Quote ebenfalls erhört (18%, was eine Verdreifachung zum Vorjahr bedeutet).

Dabei ist zudem festzustellen, dass junge Onliner soziale Netzwerke nicht nur häufiger nutzen, sondern auch eher über mehrere Mitgliedschaften verfügen. 33% der 14 bis 19jährigen sind bei zwei oder mehr Netzwerken registrert. Dennoch konzentriert sich das der Netzwerker auf maximal zwei Netzwerke. Bei der Form der Nutzung dieser sozialen Netzwerke lässt sich die digitale Spaltung ein weiteres Mal aufzeigen: während sich immerhin schon 21% der Online-Nutzer ein eigenes Profil in einem der Netzwerke eingerichtet hat, ist dies bei Teenagern schon fast Standard: 61% der 14 bis 19jährigen haben ein eigenes Profil, 53% sind es bei den 20 bis 29jährigen.

Interessant ist dabei auch die Form der Nutzung dieser Netzwerke: nicht die Suche nach Informationen steht im Vordergrund, sondern das Stöbern in Profilen anderer Mitglieder. 16% der Nutzer klicken sich täglich, 39% wöchentlich durch die Prodile von Bekannten und Gleichgesinnten. Eine weitere häufige Form der Nutzung: das Schreiben von Nachrichten, Beiträgen und Kommentaren. 14% tun dies täglich und ersetzen damit die klassische Kommunikation per e-mail. Dies ist besonders für Verfasser von Newslettern zu beachten, die damit über die üblichen Kommunikationswege immer weniger Rezipienten erfassen.

Dennoch ist das eigentliche Produzieren von Inhalten fern ab der Profile weiterhin selten: während z.B. 51% der Onlinenutzer Videos bei YouTube oder myVideo ansehen, stellen nur 3% eigene Inhalte ein. Wenn man dann noch miteinberechnet, dass viele Inhalte einfache eine Replizierung fremder Inhalte (wie z.B. aufgezeichnete Fernsehsendungen, Musikvideos o.ä.) ist, wird der Anteil derer, die originär eigenen Inhalt produzieren nochmals geringer. Noch deutlicher wird dies bei der Nutzung des Online-Lexikons Wikipedia: 60% der Internetuser nutzen es, aber ebenfalls magere 3% ergänzen Artikel oder schreibene eigene. Hier besteht sowohl eine Gefahr als auch eine Chance für die eigene Verbreitung von Inhalten und fundierten Informationen.

Abschliessend sei noch kurz auf das Thema Blogs eingegangen. Laut der Studie können nur 24% der Internetnutzer etwas mit dem Begriff Blog anfangen, nur 6% würden diese auch nutzen. Gerade weil inzwischen auch viele NGOs Blogs betreiben, sei darauf hingewiesen, dass viele Nutzer die Unterschiede zwischen Blogs und z.B. Nachrichtenseiten nicht wahrnehmen. Immer wieder ist festzustellen, dass selbst häufig genutze Seiten von Usern nicht als Blogs identifiziert werden. Selbst Autoren von Blogs, die dies z.B. auf MySpace oder in anderen sozialen Netzwerken tun, sind sich häufig nicht darüber bewusst, dass sie damit nicht nur ein paar regelmässige Notizen veröffentlichen sondern somit Teil der Blogosphäre sind. Dies sollte an dieser Stelle durchaus beachtet werden und auch die Autoren der ARD-ZDF-Onlinestudie stellen in Nebensätzen Vermutungen in diese Richtung an.

Fazit

Was bedeuten die Ergebnisse für die Online-Verantwortlichen von NGOs oder auch für die strategische Planung? Grundsätzlich: das Internet gewinnt weiterhin an Bedeutung – und das quer durch alle Altersgruppen. Ein seriöser Interauftritt ist heute also ein absolutes Muß. Um jüngere Zielgruppen zu erreichen sollte erwogen werden in relevanten sozialen Netzwerken ebenfalls eine eigene Profilseite (z.B. bei MySpace) oder Gruppe (z.B. bei StudiVZ) aufzubauen. Diese bedürfen jedoch auch einer regelmässigen Pflege und Aktualisierung. Es ist wie im wirklichen Leben: die Freundschaften müssen gepflegt werden. Beachtet werden sollte auch, dass junge Zielgruppen teilweise komplett auf diese sozialen Netzwerke ausweichen und für klassische Wege der elektronischen Kommunikation (insbesondere über e-mail) immer weniger erreichbar werden. Allerdings können Informationen eben auch über die sozialen Netzwerke selbst versandt oder verteilt werden.

Schliesslich bietet das Web2.0 die Möglichkeit eigene Informationen gezielt und multimedial zu verteilen. Als Lieferant von Inhalten steht eine NGO immer noch in der Minderheit der aktiven Nutzer und kann somit zu bestimmten Themen eben auch gezielt eine Meinungsführerschaft übernehmen. Dies gilt auch für den Bereich der (politischen) Bildung. So fasst Benjamin Jörrisen in seinem Artikel „Jugend und Web2.0“ zusammen: „Dass bei Erwachsenen – und zumal aufseiten von LehrerInnen und PolitikerInnen – immer noch häufig Unkenntnis über die technosoziale Revolution besteht […] hat eine Situation erzeugt, in der wesentliche Aktivitätsräume schlicht übersehen werden […]. [Daher] liegt es in unserer Verantwortung, die mediale Generationenspaltung so weit zu überbrücken, dass wir verantwortlich und in Kenntnis der Sachverhalte begleiten, helfen und anregen können.“ Dies bezieht sich meiner Meinung nach übrigens nicht nur auf die Inhalte im Internet, auch die sonstige multimediale Aufarbeitung von Themen der Bildung ist hiermit umfasst. Die Studie sollte also allen NGOs ein Ansporn sein ihre Fähigkeiten im Bereich der neuen Medien zu überprüfen und zu optimieren.