Rechtzeitig zur diesjährigen re:campaign ist der neue Leitfaden „Internet für NGOs“ erschienen. Herausgegeben von der Agentur wigwam und dem betterplace.lab kann er als Nachfolger des Social Media Leitfadens gesehen werden, der letztmals 2011 erschienen ist und hier angesehen werden kann. Auf knapp 100 Seiten stellen 34 Autoren nahezu alle relevanten Themen vor, mit denen NGOs in der heutigen Zeit durch den digitalen Wandel befasst sind (oder manchmal auch sein sollten).
Die 36 Artikel sind dabei den Themenblöcken „Online arbeiten und organisieren“, „Online Spenden sammeln“, „Online kommunizieren“, „Online Menschen mobilisieren“ und „Das Online von morgen“ zugeordnet. Die meisten Artikel finden sich zum Thema Kampagnen, aber auch Kommunikation nimmt einen breiten Raum ein. Kein Wunder, schliesslich ist insbesondere letzteres häufig Kern jeglicher NGO-Arbeit und hat schon jetzt weitreichende Änderungen bzw. Ergänzungen durch das Internet erfahren.
Erfreulich an diesem Leitfaden ist, dass er von Praktikern für Praktiker geschrieben wurde und das merkt man an vielen Stellen: wenig Theorie, viel Praxisbezug. So finden sich dann neben den inhaltlichen Artikeln auch Überblicke zu praktischen Online-Werkzeugen und Check-Listen. So wird der geneigte Leser quasi schon beim Lesen zum Ausprobieren eingeladen. Trotzdem gibt es zusätzlich auch sehr gelungene Überblicksartikel, wie z.B. der Beitrag von Daniel Kruse (Die NGO als Sensor, Mentor und Moderator) oder der durchaus radikale Kampagnenansatz, den Jean Peters in seinem Artikel „Mit digitalen Kampagnen im Internet gehört werden“ anreisst. Sehr interessant sind auch die Interviews, die direkte Einblicke in die digitale NGO-Arbeit. So berichtet Christian Wiebe von der Organisation Viva con Agua eindrucksvoll, welche Erfolge sie durch On- und Offline-Aktivierung bereits verzeichnen konnten und vor welche Probleme sie dabei gestellt werden.
Wie erwartet schwierig ist die Einschätzung der adressierten Zielgruppe: will der Leitfaden NGOs helfen, die noch offline unterwegs ist oder richtet er sich an Profis, die nach Feinschliff ihrer Online-Arbeit suchen? Die Frage löst sich auch nach der Lektüre des gesamten Machwerks nicht auf. Manche Artikel sind eher für komplette Anfänger geschrieben, andere richten sich an Mitarbeiter von NGOs, die über einen vielköpfigen Stab von Social Media-Mitarbeitern verfügen. Hier wäre zukünftig vielleicht eine Markierung der Artikel in Bereiche wie Anfänger, Fortgeschritte und Profis sinnvoll und hilfreich. Mir persönlich kommen zudem einige Themen zu kurz, wie zB das immer wichtigere Storytelling. Ebenso fehlen mir konkrete Zahlen zum Thema Social Media und Hinweise auf neuere Tools zur Messbarkeit von (Kampagnen-)Erfolg. Der immerwährende Verweis auf Google-Analytics greift hier zu kurz.
Sehr erfreulich ist, dass der komplette Leitfaden kostenlos im Netz unter der Adresse ngoleitfaden.org verfügbar ist. Die Druckversion kann nach dem „zahl was Du willst“-Prinzip hier bestellt werden. Ein interessantes Bezahl-Experiment, auf dessen Ergebnis ich schon sehr gespannt bin. Insgesamt ein gelungenes Machwerk, welches einen guten und praxisnahen Überblick über die aktuellen Entwicklungen des Internets für NGOs liefert. Die Print-Version ist zudem auch bestens geeignet, um sie skeptischen Vorgesetzten vorzulegen. Frei nach dem Motto: Wir können auch Print!
Disclaimer: der Autor arbeitet mit einem Teil der Herausgeber in einem Büro zusammen und hat zudem drei Artikel zum Thema Online-Fundraising verfasst, die in diesem Leitfaden erschienen sind.