Der World Wildlife Fund (WWF) konzentriert sich mit seiner Kampagnenarbeit derzeit auf die vom aussterben bedrohten Tiger. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation gibt es weltweit nur noch 3200 freilebende Tiger, diese Zahl soll sich baldmöglichst wieder erhöhen. Der WWF Deutschland hat diese internationale Kampagne voll aufgegriffen und sie auch online über sämtliche Möglichkeiten auf ihrer eigenen Homepage wwf.de abgebildet. Dabei wird zum Beispiel auf einen Splash-Banner zurückgegriffen, der die eigentliche WWF-Startseite überdeckt und den Besucher sofort auf das aktuelle Hauptthema hinweist. Ein kurzer Videospot erklärt den Sachverhalt, der nächste Call-To-Action ist bereits der Spendenbutton.
Spannend ist das WWF Deutschland extra für die internet-affinere (und vermutlich jüngere) Zielgruppe einen eigenen Kampagnen-Tab auf Facebook aufgebaut hat. Über die URL 3200-tiger.de gelangt man auf die WWF-Facebook-Fanseite, die als Startelement eine Unterschriftenaktion beinhaltet. Diese kann man auch unterschreiben ohne bei Facebook Mitglied zu werden, aber die gewünschten Interaktionsmechanismen funtkionieren natürlich erst dann gut, wenn sie von Facebook-Mitgliedern genutzt werden. Dann nämlich wird die Unterstützung für das Tiger-Anliegen auch den eigenen Freunden bei Facebook mitgeteilt.
Besonders interessant an dieser Lösung ist aber die Tatsache, dass der WWF an dieser Stelle einen mutigen – und wie ich finde – richtig Schritt getan hat. Sie haben sich von ihrer eigenen Homepage gelöst und sind dahin gegangen, wo sie die internetaffine und junge Zielgruppe vermutet haben: direkt auf ihre Facebook-Fanpage, ohne Umweg über die eigene Homepage. Mit inzwischen über 12 Millionen Nutzer, hauptsächlich aus der Altersgruppe 14 bis 35 (aktuelle Nutzerdaten via Facebookmarketing), bietet Facebook die derzeit beste Grundlage für Social Media basiertes Campaigning.
Über 31.000 Fans hat die WWF-Facebook-Fanseite inzwischen gefunden – es wäre interessant zu wissen wie viele von diesen Fans über die Extra-Domain bzw das Tiger-Thema gekommen sind. Damit ist der WFF gleichzeitig eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Fanseiten bei Facebook, bei den NGOs belegen sie sogar den Spitzenplatz. Viele dieser Fans dürften über die Tiger-Kampagne auf die Fanpage gelangt sein, denn die Unterschriftenkampagne haben bereits über 22.000 Menschen mitgezeichnet. Clever daran ist vor allem, dass diese Facebook-Mitglieder eben nicht ’nur‘ Fans der Tiger-Kampagne geworden sind, sondern eben von WWF Deutschland an sich. So bleiben sie für die Organisation auch nach Ende der Tiger-Kampagne ansprech- und möglicherweise aktivierbar. Das hier durchaus noch weit größeres Potential besteht, zeigen die Vergleichszahlen aus dem Ausland: so hat beispielsweise der WWF Griechenland über 70.00 Fans und der WFF Indonesien 66.000 Fans.
Hier wird häufig eingewandt, dass der Klick auf den ‚gefällt mir‘-Button ein extreme niederschwellige Form der Beteiligung sei, die Fans seien daher keine wirklichen Unterstützer, sondern bequeme Internetnutzer, die glauben ein solcher Klick würde die Welt verändern. Das ist sicherlich nicht ganz verkehrt, doch genau mit diesem Klick beginnt der ‚Fan‘ seine Beziehung zur Organisation und es liegt an selbiger diese Beziehung auszuweiten und den Fan zu einem wirklichen Unterstützer zu machen. Dies kann alleine schon über regelmässige (und interessante) Status-Meldungen via Facebook passieren. Denn kaum ein Fan klickt später auf den ‚gefällt mir nicht mehr‘-Knopf, außer er ist von der Menge der Meldungen genervt oder empfindet sie plötzlich als total irrelevant. Die Absprungrate ist aber eher gering, denn auch hier ist der Facebook-Nutzer eher faul und das Abmelden wurde eine Aktion verlangen. Einer der Top-Manager von Facebook-Kanada, Elmer Sotto, hat diese Chance der Beziehungsbindung erst kürzlich auf dem International Fundraising Congress wieder betont: „Facebook ist nicht in erster Linie ein Fundraising-Tool, vielmehr dient es dem Aufbau von Beziehungen zu Interessenten und potentiellen Spendern“ (vgl. diesen Artikel).
Und auch dies hat sich der WWF zu eigen gemacht. Über den Tiger-Bereich auf der Facebook-Seite konnte man nämlich auch die Guerilla-Aktionen von Aktivisten und Freiwilligen verfolgen, die im Oktober in vielen Städten Deutschlands abliefen. Gut ergänzt durch Fotos und Video-Berichte.
Dieses Fallbeispiel zeigt, dass es sich lohnen kann auch unübliche Schritte im Campaigning zu gehen. Man mag als Organisation an dieser Stelle zwar ‚Ownership‘ abgeben, gleichzeitig trifft ma die potentiellen Unterstützer aber genau dort, wo sie sich vermutlich eh mehrmals am Tag aufhalten.