NGOs lobbyieren online: Haushalten mit Twitter

Verschiedene entwicklungspolitische NGOs und Kampagnen haben in den letzten Tagen eine erfolgreiche Aktion, quasi eine Mini-Advocacy-Kampagne, für mehr Geld im Kampf gegen HIV/Aids und andere Krankheiten geführt. Dabei kamen neben klassischen Lobbymethoden auch öffentliche Mobilisierungselemente via Twitter zum Einsatz. Ein spannendes Modell für die Zukunft?

Worum ging’s?

Die Bundesregierung hatte 2007 bei einer selbst organisierten Konferenz in Berlin zugesagt, jährlich 200 Millionen Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) bereit zu stellen. Diese Gelder tauchen im Haushalt des Entwicklungsministeriums (BMZ) auf, dem so genannten Einzelplan 23 (EP23). Der Haushaltsentwurf wird jedes Jahr von der Regierung aufgestellt und im Bundestag in mehreren Lesungen diskutiert und verabschiedet. In den jeweiligen Ausschüsse im Parlament werden dabei die Fachfragen verhandelt.

Was wie haben Organisationen interveniert?

Entgegen den Versprechen, sah der Haushaltsentwurf 2010 der schwarz-gelben Bundesregierung für den GFATM nur 142 Mio. Euro vor, ein „klarer Wortbruch“, wie Hilfsorganisationen in Pressemitteilungen kritisierten. Medien wie der Tagesspiegel, FAZ oder BILD griffen das Thema auf und das BMZ beeilte sich mit der Versicherung, die fehlenden 58 Mio. Euro würden aus anderen freien Mitteln natürlich überwiesen. Das reichte den Organisationen nicht, sie wollten die Zahl „200“ Schwarz auf Weiß im Haushalt festgeschrieben wissen, u.a. weil mündliche Zusagen unsicher seien, der Haushalt verzerrt dargestellt und international falsche Signale gesendet würden. Dies war nachzulesen in einem Offenen Brief des Aktionsbündnisses gegen Aids, der an die zuständigen Abgeordneten im Haushaltsausschuss gesendet wurde.

Und was ist jetzt neu an den Methoden?

Kurz vor den entscheidenden Sitzungen des Haushalts– und Entwicklungsausschusses haben das Aktionsbündnis gegen Aids und die Aktion „Deine Stimme gegen Armut“ an die bei Twitter aktiven Abgeordneten die Frage gestellt, warum nur 142 Mio. für den GFATM vorgesehen seien (detaillierte Beschreibung der Aktion). Zum Monitoring wurde der Hashtag „#EP23“ eingeführt. Drei Oppositions- und eine CSU-Abgeordnete sind auf die Twitter-Kommunikation eingegangen. Am Ende der Beratungen im Haushaltsausschuss wurde für den GFATM ein Zuschuss von 204 Mio. Euro beschlossen, also sogar noch vier Millionen mehr als von Organisationen gefordert. Ein voller Erfolg für die Aktivisten – sofern der Haushaltsentwurf im März auch vom Bundestag so verabschiedet wird.

Lektionen für die Zukunft

Welche NGO oder welches Instrument (Pressearbeit, Lobbybriefe oder Massenlobbyierung via Twitter) am Ende den Ausschlag gab oder ob es noch ganz andere Gründe gab, wird sich nicht einfach feststellen lassen. Für NGOs ergeben sich aber aus dieser Aktion, insbesondere aus dem „Social-Media-Lobbying“, interessante Erkenntnisse:

Was meint ihr? Wie ist die Aktion zu bewerten? Welche Potenziale bietet das Web 2.0 – jenseits von Online-Petitionen – für konkrete politische Veränderungen und Lobbyarbeit?