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Verknüpfung von On- und Offline Aktionen

Die richtige Verknüpfung von On- und Offline-Aktivitäten ist für Kampagnenmanager eine der größten aktuellen Herausforderungen. Schliesslich werden Kampagnen heutzutage selten allein auf der Straße oder ausschließlich im Internet gewonnen – auch wenn es natürlich einige (erfolgreiche) Ausnahmen gibt.

Die aktuelle Eil-Aktion von erlassjahr.de gibt mir die Möglichkeit einige grundsätzliche Überlegungen zu der notwendigen Verknüpfung von On- und Offlinemedien zu erläutern:

Ausgangspunkt: erlassjahr.de ist ein entwicklungspolitisches Bündnis, welches dagegen protestiert, dass untragbar hohe Schulden in vielen Ländern des Südens wichtige Investitionen in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur unmöglich machen. erlassjahr.de setzt sich dafür ein, dass über Schuldenerlasse und Schuldenumwandlungen mehr Geld für die Unterstützung der Ärmsten in den eigenen Ländern zur Verfügung steht.

Problemstellung: Die derzeitige Finanzkrise sowie die stark gestiegenen Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise haben insbesondere in Import-Abhängigen Entwicklungs- und Schwellenländern dazu geführt, dass der Schuldenstand dieser Länder deutlich ansteigt. Es steht zu befürchten, dass einige Länder in naher Zukunft daher (wieder) den Zustand der Zahlungsunfähigkeit erreichen. In der Vergangenheit hat die internationale Staatengemeinschaft sowie Institutionen wie Weltbank oder IWF auf solche Situationen meist ad hoc und nach politischem Gutdünken reagiert. Sprich: der Gläubiger selbst hat entschieden wie mit den Schulden zu verfahren ist. erlassjahr.de hingegen fordert, dass im Falle der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit eines Staates ein internationales Insolvenzverfahren angewendet wird. Dabei soll ein unabhängiges Schiedsgericht über die Ansprüche aller Gläubiger urteilen. Nur so kann ein faires Urteil gefällt werden, welches dem überschuldeten Land eine langfristige Perspektive bietet. Das ist übrigens in der Privatwirtschaft nicht anders: auch dort entscheidet ein unabhängiger Richter über die Insolvenz und wie die Gläubiger und ihre vergebenen Kredite zu bedienen sind.

Aktueller Bezug: im Dezember diesen Jahres findet in Doha die Entwicklungsfinanzierungskonferenz statt. Dort berät die Weltgemeinschaft über die zukünftige Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit. Im derzeit vorliegenden Entwurf des Abschlussdokumentes wird ein „sovereign debt work-out mechanism“ gefordert. Das Internationale Insolvenzverfahren ist genau ein solcher Mechanismus. Derzeit wird überall auf der Welt dieses Abschlussdokument diskutiert bevor es dann in Doha unterzeichnet werden soll. Und während die Entwicklungs- und Schwellenländer geschlossen für die Einführung des Internationalen Insolvenzverfahrens sind, sind sie z.B. die USA und Japan strikt dagegen. In der EU und auch in Deutschland herrscht noch Uneinigkeit. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul ist prinzipiell dafür, Finanzminister Steinbrück hat Bedenken.

Ansatzpunkt: erlassjahr.de setzt sich seit langem für ein Internationales Insolvenzverfahren ein – sowohl im Bereich des Lobbying als auch mit früheren Kampagnen. Der Entwurf des Doha-Abschlussdokumentes gibt nun einen direkten Ansatzpunkt für eine kurzfristige und konzentrierte Aktion. Die Voraussetzungen sind klar: der Bundesregierung soll deutlich gemacht werden, dass sie sich für ein Internationales Insolvenzverfahren auf der Doha-Konferenz einsetzen soll. Die Aktion muss sehr schnell passieren, da die Verhandlungen in vollem Gange sind.

Aktion: erlassjahr.de hat sich vor diesem Hintergrund für eine Postkartenaktion entschieden. Es wurden zwei Postkartenmotive entwickelt, die jeweils die Bundesminister Wieczorekz-Zeul und Steinbrück zeigen. Gepaart wurden sie mit den Slogans ‚Peer, sei fair!‘ und ‚Jetzt oder nie, Heidemarie‘. Die Rückseitentexte rufen die Minister zu einem klaren Engagement für das Internationale Insolvenzverfahren auf.

Offline: Im Offline-Teil der Aktion sind die beiden Postkarten in gedruckter Form im Einsatz. Ergänzt werden sie durch einen kurzen Flyer, der die Hintergründe der Aktion knapp darstellt. Die Postkarten wurden im Rahmen eines Mailings an alle Mitträger des Bündnisses verteilt. Zudem wurden sie einigen Mitgliedsmagazinen beigelegt und gezielt für Veranstaltungen bereitgestellt. Über diese Kanäle wurden bereits in der Anfangsphase der Aktion mehrere Tausend Postkarten verteilt.

Online: Gleichzeitig mit der Bereitstellung der gedruckten Postkarten, wurde ein Aktionsbereich auf der erlassjahr.de Homepage online gestellt, auf dem alle Materialien auch zum Download verfügbar sind. Um Interessenten aber auch die Möglichkeit zu geben, direkt aktiv zu werden, können auch E-Cards, die in Text und Format genau den gedruckten entsprechen, zur Verfügung gestellt. Sie werden per e-mail an die Ministerien verschickt. Zudem besteht in Zusammenarbeit mit dem Anbieter ahaoho.de die Möglichkeit auch ‚echte‘ Postkarten über das Internet zu verschicken. Dies funktioniert in einem Print-On-Deamnd-Verfahren für Postkarten. Die gesamten Online-Aktivitäten wurden über den erlassjahr.de Newsletter, über Facebook, MySpace, XING und twitter als Verbreitungskanäle beworben.

Kombiniert wurden On- und Offline-Aktivitäten auch durch eine Pressemitteilung, welche auf die Aktion als ganzes aufmerksam gemacht hat.

Für erlassjahr.de ist es die erste Aktion, die konsequent Maßnahmen im On- und Offline-Bereich zusammengeführt hat. Die Ergebnisse werden sich zum Ende der Aktion Anfang Dezember hin vernünftig auswerten lassen. Dennoch sind sie vom Ansatz her sicherlich auch auf die Aktivitäten anderer NGOs übertragbar. Was im konkreten Fall sicherlich noch ein zusätzliches Momentum gewesen wäre, wäre der Einsatz eines eigenen Clips zur Aktion gewesen. Dieser liess sich jedoch auf Grund der Kürze der Zeit nicht mehr realisieren. Weitere Anregungen sind natürlich jederzeit erwünscht.

Alles zur Kampagne unter: http://www.erlassjahr.de/aktionen/ftap/