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Rechts gegen Rechts: Bild: EXIT-Deutschland

Nazis gegen Nazis: So wurde der unfreiwillige Spendenlauf zum Fundraising-Erfolg

In dem kleinen Städtchen Wunsiedel im Fichtelgebirge demonstrieren Jahr für Jahr Nazis. Wenn man sie davon nicht abhalten kann, ist es dann möglich, die Nazidemo für etwas Sinnvolles zu nutzen? EXIT-Deutschland, die ausstiegswillige Nazis unterstützen, die rechte Szene zu verlassen, hat mit der Aktion „Nazis gegen Nazis“ genau das getan: Der Aufmarsch wurde als  Spendenlauf inszeniert. Für jeden Meter, den die Nazis marschierten, wurden zehn Euro an das Aussteigerprogramm gespendet. Die Aktion ging viral durch die Decke, schlug medial ein wie ein Bombe – und wurde ein großer Fundraising-Erfolg.

Wie haben sie das geschafft? Fünf Fragen an Fabian Wichmann.

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Schönheit vor Alter? Junge Entwicklungsorganisationen im Fokus

Glaubt man den Ergebnissen repräsentativer Studien, fließen 44 Prozent aller Spenden zugunsten von Entwicklungs- bzw. Nothilfe und werden von Menschen gegeben, die 50 Jahre oder älter sind. Entsprechend ist wenig verwunderlich, dass klassische Entwicklungsorganisationen nicht gerade mit modernen, pfiffigen Kampagnen aufwarten. Dem gegenüber stehen Zahlen, denen zufolge gerade junge Menschen überdurchschnittlich engagiert sind: „Einsatz für die Gesellschaft und für andere Menschen gehört ganz selbstverständlich zum persönlichen Lebensstil dazu“, heißt es in der letzten Shell-Jugendstudie von 2006. Das Ergebnis ist, dass junge Menschen selbst aktiv werden, ihre eigene Entwicklungs-NGO gründen und den etablierten Hilfswerken mit schicken Webauftritten das Fürchten lehren. Zwei Beispiele möchte ich vorstellen.

2aid.org – Wasserspender via Web 2.0

Mitte 2009 hat die Zahnmedizin-Studentin Anna Vikky das Projekt 2aid.org ins Leben gerufen. Mit einigen engagierten Mitstreitern und Unterstützern zieht sie sämtliche Register aktueller Web 2.0-Tools und mobilisiert Spenden für Trinkwasser-Projekte in Afrika. Über Präsenzen auf MeinVz, Twitter (> 1.000 Follower) und Facebook (> 350 Fans) wird um Spenden geworben, die per Überweisung, PayPal oder SMS getätigt werden können. Die ersten 4.000 Euro sind mittlerweile zusammengekommen und an eine US-amerikanische Organisation überwiesen worden, die damit einen Brunnen in Uganda bohren wird. Anna ist derzeit mit Falco, einem Fotografen, vor Ort und schaut sich die Umsetzung an. Sie berichten regelmäßig in einem Video-Blog (Vlog) über die Reise – eine spannende und bisher selten genutzte Kommunikationsform, die leider mit maximal 50 Views noch kaum genutzt wird.

Video Nummer 6 aus dem Vlog von 2aid.org.

100prozentig

So bemerkenswert das Engagement der Fundraiser ist, so stellen aber auch Fragen. 2aid.org wirbt damit, dass 100% der Spenden direkt ins Projekt fließen. Ein ehrenwerter Vorsatz. Viele „neue“ Spendensammler mit dieser Aussage, die jedoch langfristig unrealistisch bis unseriös ist. Bei jedem Entwicklungsprojekt entstehen Verwaltungskosten, angefangen von Server- und Bankgebühren bis hin zu Ausgaben für Werbung und, bei größeren Vorhaben, Personalkosten. Diese Kosten dürfen nicht totgeschwiegen, sondern müssen schlicht und einfach transparent dargestellt werden. Selbst das DZI, das das Spendensiegel vergibt, sagt in seinen Spendertipps „Eine gute Verwaltung ist wichtig“ und hält bis zu 35 Prozent Verwaltungskosten für „vertretbar“. Die Projektreise von 2aid.org nach Uganda haben Anna und Falco aus eigener Tasche bezahlt – zurzeit sammeln sie dafür ebenfalls Spenden: rund 2.200 Euro werden gebraucht… 100%ig also kein Modell für die Zukunft.

Voting über Leben und Tod

Mein zweiter Kritikpunkt richtet sich auf die Auswahl des nächsten Trinkwasserprojekts, das sich 2aid.org ausgeguckt hat – besser gesagt: hat ausgucken lassen. Ganz im Sinne des Web 2.0, wo Userbeteiligung über allem steht, konnte man Anfang des Jahres abstimmen, ob der nächste Brunnen in Kenia, Malawi oder Uganda gebohrt werden soll. Die 148 Twtpoll-User haben entschieden, dass die Menschen in Kenia und Malawi weiterhin ohne sauberes Wasser auskommen müssen.

Klar ist, dass nicht alle drei Projekte gefördert werden können, aber auf welcher Grundlage entscheiden deutsche Internetuser, wo Hilfe am nötigsten und am besten geleistet werden mussen? Klassische Hilfsorganisationen arbeiten mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, zu denen häufig langjährige vertrauensvolle Beziehungen bestehen. Für „Brot für die Welt“ beispielsweise ist die Zusammenarbeit mit Partner vor Ort „wesentliches Merkmal“ der Projektarbeit. Abstimmungen wie die von 2aid.org weisen paternalistische Züge auf und zeigen, dass sich noch nicht überall angekommen ist, dass die aktuelle Entwicklungspolitik eher auf Entwicklungszusammenarbeit setzt, statt auf Entwicklungshilfe, die „nicht von partnerschaftlicher Gleichberechtigung, sondern von der dominierenden Rolle des Fachwissens und des Reichtums geprägt“ ist.

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Tanabata: Globale Moblisierung zum G8-Gipfel in Japan

Eine bemerkenswerte weltweite Mobilisierung haben derzeit die nationalen Plattformen des „Global Call to Action against Poverty“ (GCAP) laufen. Zum G8-Gipfel in Japan Anfang Juli knüpfen die Anti-Armuts-Aktivisten an die japanische Tanabata-Tradition an und sammeln Wünsche gegen Armut. Nach der japanischen Überlieferung gehen Wünsche in Erfüllung, wenn sie am 7. Juli an einen Bambusbaum gehängt werden. Diese Wünsche sammeln derzeit Entwicklungsorganisationen und Armutskampagnen in mehreren Ländern.

GCAP stellt auf internationaler Ebene ein zentrales Tool bereit, das – an den nationalen Kontext angepasst – auf Webseiten bereitgestellt werden kann. Passend dazu stellt GCAP auf der globalen Webseite Banner in verschiedenen Sprachen und Formaten zur Verfügung. Die Dateien gibt’s auch als PNG/PSD-Layer-Dateien zum anpassen.

Das Widget wird unterschiedlich genutzt. Es gibt Varianten auf Englisch, Französisch und Spanisch. Unterstützer können zwischen vier Forderungen auswählen: Bildung für alle, bessere Gesundheitsversorgung, Massnahmen gegen Klimawand sowie mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit. Weil aber zum Beispiel die große internationale NGO-Familie Oxfam (in UK auf Englisch, in Canada auf Französisch) auf „Bildung für alle“ verzichtet, kommt für diese vierte Forderung nur rund ein Viertel der „Stimmen“ zusammen (in Großbritannien gibt es parallel bei anderen Organisationen alle vier Forderungen, zum Beispiel bei CAFOD).

In Japan selbst, gibt es zum G8-Gipfel mehrere Kampagnen, die in die Tanabata-Richtung gehen: Bei „Me Too“ mobilisieren eine handvoll internationaler NGO-Familien die japanische Bevölkerung (Bericht über „Me Too“-Kampagnenstart. Mitschnitt der Pressekonferenz bei Youtube, auf japanisch). Auch die japanische GCAP-Kampagne Hottokenai hat eine „Voices against Poverty„-Aktion laufen.

Das japanische Bündnis G8-NGO-Forum hat mit der Tanzaku-Aktion die japanische Version der Wunsch-Aktion gestartet. Ähnlich wie die Tanzaku-Aktion kann man auch die deutsche „Deine Stimme gegen Armut“-Kampagne einen echten eigenen (Frei-)Text-Wunsch äußern – eine Gratwanderung wenn man mit der Kampagne eigentlich bestimmte Themen kommunizieren und Ziele erreichen will, was bei „Deine Stimme gegen Armut“ offensichtlich funktioniert, wenn man sich durch die rund 2.500 Wünsche klickt.

Vor einigen Tagen wurden in Japan die ersten G8-Wünsche an den Ministerpräsidenten Fukuda übergeben. Weitere Übergaben sind geplant: am 3. Juli werden Großbritanniens Premier Gordon Brown und der kanadische Staatschef Stephen Harper die Botschaften entgegennehmen. In Deutschland präsentiert „Deine Stimme gegen Armut“ die Wünsche und Erwartungen der Bürger im Rahmen einer Kundgebung in Berlin.

Sichtschutz Moskitonetz?

buttonAm 25. April war Welt-Malaria-Tag. Das war im Prinzip nicht zu übersehen überlesen. Eine kurze Suche liefert Artikel in den Online-Ausgaben von taz, Focus, Die Welt, Das Parlament usw. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon schrieb in der FR. Selbst die Pharma-Industrie wurde aktiv. Und entwicklungspolitische Organisationen und Kampagnen? In Berlin war die zentrale Aktionen mit menschlichen Moskitonetzen angekündigt, in Köln und Nürnberg gab es Info-Stände. Und das alles unter dem frischen Motto „Mach die Mücke!“ Klingt vielversprechend. Da sind sicher tolle Bilder von forschen Kampagnenaktionen entstanden. Mal schauen.

In Berlin am Potsdamer Platz sollte ein menschliche Moskitonetz entstehen, Jahrmarktbuden mit den Aktionen „Stich zurück“ und „Hau die Anopheles-Mücke“ Jugendliche anlocken. Fußballer von Hertha BSC waren involviert, auch Entwicklungsministerin Wiezcorek-Zeul soll da gewesen sein. Organisiert wurde die Aktion vom Deutschem Roten Kreuz (DRK), der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW), als Mitgliedern der Europäischen Allianz gegen Malaria, der Kampagne MalariaNoMore Deutschland sowie action medeor als Träger der Kampagne Stop Malaria Now.

Ein junger Arzt mit Malaria-Patientin (Foto: action medeor/ Birgit Betzelt)Ich zähle drei Organisationen, drei Kampagnen, einen Promi, eine Bundesministerin – und bin enttäuscht. Hat die Aktion wirklich stattgefunden? Drei Tage später finde ich im Netz nichts darüber. Kein Video bei youtube.com oder myvideo.de, kein Bild auf flickr.com. Die Webseiten der Organisationen illustrieren ihre Ankündigungen mit Bilder aus Projekten in Entwicklungsländern. Der Nachrichtenwert ist jetzt gleich Null. Enttäuschendes Urteil: Hier wurden Chancen vertan.