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Die perfekte Mitmachaktion: Konzeption von NGO-Kampagnen

Ein großes NGO-Bündnis plant derzeit eine Kampagne und hatte mich gebeten, einen Input zum Thema „Mitmachaktion“ zu geben. Ich habe die Gelegenheit genutzt, ein paar Gedanken bzw. Kriterien zur Konzeption zu Folie zu bringen, die ich gerne zur Diskussion stellen will.

Dabei ist mir einmal mehr aufgefallen, wie wichtig eine saubere Konzeption im Vorfeld ist: Was will ich politisch erreichen? Was will ich von den Unterstützern? Und vor allem: Was wollen die Unterstützer? Unter welchen Umständen beteiligen sie sich an meinen Aktionen? Inspiriert hatte mich dabei der Vortrag von Julius van der Laar, der bei der letzten Socialbar in Berlin darüber sprach, dass Menschen, dann aktiv werden, wenn es a) eine Krise, einen Konflikt gibt, wenn sie b) merken, dass es eine historische Chance für Veränderung besteht (Timing/ Window of Opportunity) und c) deutlich wird, dass sie mit ihrem Engagement etwas verändern können.

Unerlässlich ist bei der Konzeption auch das Verlassen bekannter Pfade. NGOs denken häufig viel zu starr in ihrer eigenen Logik. Die ist jedoch in den seltensten Fällen die Denkweise des Otto-Normalbürgers. Organisationen dürfen nicht versuchen, den Unterstützern ihre eigene richtige und auch wichtige NGO-Wahrheit aufzudrücken. Diese ist häufig zu komplex, zu fachspezifisch und deshalb nur zu häufig „unsexy“ für Engagement. NGOs müssen lernen, sich in die Realitäten und das Wissen der Unterstützer hineinzuversetzen, ihren Humor und ihr Gefühl von Un-/Gerechtigkeit verstehen. Denn schließlich sollen mit den Kampagnen nicht Gläubige bekehrt, sondern breit getragene gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden.

Wird das überzeugend kommuniziert und eine schlüssige Aktion angeboten, ist das die halbe Miete. Der Rest ist Handwerk. Ein paar Tipps:

  • Berichtet regelmäßig über Aktionen, erzählt Geschichten, zeigt Menschen in Aktion. Das nimmt die Scheu, selbst aktiv zu werden und motiviert. Für solche Updates eignen sich ein Blog, Facebook-Fanseiten oder Twitter. Denkt in Bildern, visualisiert Engagement.
  • Zeigt Kampagnenfortschritt, zum Beispiel durch Unterschriftenzähler; kommuniziert ggf. ein Ziel und den Stand der Erreichung. Auch das motiviert.
  • Macht Euch vorab Gedanken über Werbemaßnahmen (kostspielig) oder setzt auf den viralen Effekt – dafür muss die Aktion pfiffig sein.
  • Plant in Phasen und sorgt für eine „Eskalation“ zum Kampagnenhöhepunkt.

Facebook im Einsatz: Theorie und Praxis

Die Kollegen von DigiActive, einer Organisation die Grassroot-Aktivisten bei der Nutzung von Web2.0 und mobilen Applikationen unterstützt, hat kürzlich eine Einführung zur Nutzung von Facebook für Aktivisten herausgegeben. Das 15seitige PDF liest sich schnell und muss in der Tat als reine ‚Einführung‘ verstanden werden. Spannend sind aber die drei Fallbeispiele, die den Einsatz von Facebook bei Kampagnen zu Burma und in Marokko sowie Ägypten beleuchten. Gerade in diesen Beispielen werden recht ansehnlich die Vor- und Nachteile bei der Nutzung von Facebook deutlich.

Die grundsätzlichen Annahmen, die DigiActive in Bezug auf den Einsatz von Facebook für Kampagnen und NGOs herausgearbeitet hat, sind jedoch insbesondere im deutschsprachigen Bereich mit großer Vorsicht zu geniessen. Su muss schon die Annahme ‚Viele Menschen nutzen Facebook‘ gerade für den deutschen Markt erheblich relativiert werden. In Deutschland waren im Juli 2008 knapp 500.000 Menschen bei Facebook registriert, was aber auch nichts über deren Grad oder Häufigkeit der Nutzung aussagt. Trotzdem wird schon aus dieser schieren zahl deutlich, dass über Facebook zumindest hierzulande keine Massen zu mobilisieren sind.

Trotzdem ist Facebook natürlich eine Möglichkeit die eigene Kampagne oder NGO gegenüber einem sehr internet-affinen Publikum zu präsentieren, zudem ist die Nutzung kostenlos, der Einsatz verschiedenster Medienform (Fotos, Videos und Audio) unproblematisch und die direkte Ansprache von Menschen, die sich für die Facebook-Gruppe der eigenen NGO entscheiden ist einfach. Zugleich kostet aber auch die Pflege der Facebook-Gruppen Zeit, insbesondere da die Facebook-Gruppe die eigentliche Webseite der NGO nicht ersetzen, sondern inhaltlich viel mehr spiegeln soll. Weiterhin ist Facebook eben nicht ursprünglich für Kampagnen erstellt worden, so dass der Aufwand umso höher ist, will man es für diese Zwecke nutzen. Interessant ist es aber hierfür Fremdapllikationen innerhalb von Facebook zu nutzen, wie z.B. Causes, die genaue Kampagnenziele erfassen und den Stand der Spenden, zugewonnenen Freunde o.ä. abbilden. Leider sind diese Apllikationen ebenfalls auf den amerikanischen Markt zugeschnitten, ein Spendensammeln ist für europäische NGOs beispielsweise derzeit überhaupt nicht möglich.

Bei aller Kritik an Facebook: die Plattform ist für die Kampagnen- und NGO-Arbeit dennoch um ein hohes Maß brauchbarer als der deutsche Marktführer StudiVZ, der außer der reinen Gruppenbildung zur eigenen NGO so gut wie nichts zu lässt. Mobilisierung über StudiVZ ist fast aussichtslos, über Facebook aber zumindest machbar.