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Literatur & Veranstaltungen

Literatur & Veranstaltungen

6 Regeln für NGOs im 21. Jahrhundert

Der selbsternannte ‚Buzz-Director‘ und von mir hochgeschätzte Steve Bridger hat kürzlich vor der englischen NGO Action Aid einen Vortrag mit dem Titel „How charities need to update their status“ gehalten, welcher die Notwendigkeiten insbesondere für Spendenabhängige NGOs in Zeiten des Web 2.0 beleuchtet. Seine Präsentation hat er freundlicherweise zur Verfügung gestellt:

Steve fasst seine Ergebnisse in folgenden 6 Regeln für NGOs ab:

  1. Vermische Online und Offline: Online Aktivitäten -> Offline Aktionen
  2. Schaffe Erfahrungen, welche die Bestrebungen der Menschen wiederspiegeln
  3. Sei großzügig, veröffentliche Zeugs & versuche nicht die gute Sache zu ‚besitzen‘
  4. Demokratisiere deine Marke: lerne die Kontrolle zu verlieren… um gleichzeitig mehr zu erreichen
  5. Vereinige und erweitere 000erte von kleinen Aktionen
  6. Werde zum Pförtner der gesellschaftlichen Wirkung in dem Du sie zu einer unendlichen Geschichte machst

Diese wenigen (und auf Deutsch mal wieder etwas etwas krude wirkenden) Grundsätze bilden gleichzeitig viele Probleme von NGOs bei ihren (ersten) Schritten ins Internet ab. Insbesondere die Angst vor einem Kontrollverlust über Inhalte ist weit verbreitet. Zu sehr besteht die Befürchtung, dass die Nutzer (wie z.B. auch der ‚kleine‘ Aktivist auf der Straße) Fotos, Videos oder Blogeinträge publizieren, die nicht unbedingt der Marke oder dem Erscheinungsbild der NGO entsprechen. Und da sobwohl solche Beiträge doch vor allem eines kommunizieren würden: Authenzität. Eben die Menschen, die dahinter stehen, die die gute Sache voranbringen und damit auch nach außen tragen.

Gleichzeitig macht Steve auf eine alte Regel aufmerksam, die häufig vergessen wird: statt (oftmals teuren) Großkampagnen in durchgestyltem Design mit einzelnen Großveranstaltungen ist gerade die Masse von kleinen Veranstaltungen ein Weg, der sich langfristig und nachhaltig in der Erinnerung unserer MitbürgerInnen verfestigt. Das Angesprochen werden durch meine Nachbarin auf dem wöchentlichen Markt kann dabei auch unter Einsatz eines klapprigen Infostandes effektiv sein als jede große Werbekampagne, einfach weil die persönliche und direkte Ansprache gewährleistet wird.

Und schliesslich gibt Stevens erste Regel noch einen ganz wichtigen Hinweis: die Großzahl von Kampagnen und NGOs wird auch in Zukunft nicht (allein) online funktionieren. Vielmehr sind die Online-Aktivitäten Mobilisierungs-, Motivations- und Archivierungswerkzeuge, die aber den Einsatz auf der Straße, also vor im Bestfall ‚vor Ort‘, nicht ersetzen. Die Verknüpfung beider Werkzeuge gilt es jedoch noch erheblich zu optimieren. Der geneigte Internetuser, der ‚mal eben‘ hier einen Link postet oder eine E-Mail verschickt wird noch nicht automatisch zum Aktivisten bei einer Offline-Aktion. Und gerade an dieser kritischen Schnittstelle zwischen On- und Offline wird das ansonsten häufig kostengünstige Internet zu einem Personalaufwändigen Konstrukt: meiner Meinung nach bedürfen besonders interaktive Webauftritte von NGOs (insbesondere im Rahmen sozialer Netzwerke) auch einer intensiven Betreuung durch Online-Campaigner, welcher den Nutzen das Gefühl von ‚Bedeutung‘, von ‚ernst genommen‘ vermitteln und die den Nutzern Wege auch zum Offline-Engagement aufzeigen.

Diese Schritte sind in Deutschland bislang noch kaum NGOs gegangen, doch die Notwendigkeit wird sich voraussichtlich beständig vermehren. Schliesslich haben die Entwicklungen im Internet noch nie auf ‚Nachzügler‘ gewartet.

NGO 2.0 – Socialcamp in Berlin

Zwei Tage lang haben am Wochenende Praktiker aus NGOs, Online-Aktivisten, Blogger und Webentwickler beim ersten Socialcamp in Berlin darüber diskutiert, wie neue Entwicklungen im Internet für die NGO-Arbeit genutzt werden können, NGOs erfolgreich im Web agieren können und sich die Arbeit von Organisationen durch „Web 2.0“ verändert.

Vorweg: Die Veranstaltung war klasse und ausgesprochen inspirierend. Die MacherInnen von Social-Networks wie helpedia, elargio, netzwirken oder mixxt und Kaioo waren da, genauso wie die Blogger von Netzpolitik.org oder Alles-was-gerecht-ist. Die Resonanz aus den klassischen NGO dagegen war bescheiden – ein Aspekt, der vielfach beklagt wurde und sich beim nächsten Mal ändern muss: Wie sonst sollen die Bedürfnisse, Interessen der Organisationen erkannt und Grenzen des Mitmachwebs bei NGOs ausgelotet werden? Lediglich Kollegen von Plan International Deutschland, dem Weltfriedensdienst und Transparency Deutschland habe ich neben neben Björn von erlassjahr.de und mir selbst gezählt. Ein subjektiver Bericht:

Am spannendsten fande ich die Session zur Kooperation von NGOs und sozialen Netzwerken am 2. Tag, bei dem eine Bestandsaufnahme von Eigenschaften, Trends und möglichen Kooperationsformen beider Akteursgruppen vorgenommen wurde (siehe Flipcharts). Günter Metzges von Campact hat dazu interessante Überlegungen aus dem bevorstehenden Relaunch des Kampagnenportals vorgestellt.

In der Session über „Entwicklungszusammenarbeit und IT“ haben Christian Kreutz (GTZ) und Mitarbeiterinnen der Agentur newthinking anhand wegweisender Webprojekte aus Afrika gezeigt, wie neue Technologien in Entwicklungsländern genutzt werden können (Celac aus Uganda, Afrigadget oder der Brosdi Audio-Blog) und auch, welche Herausforderungen auf Hilfswerke im Norden zukommen (Stichwort: Transparenz bei Entwicklungsprojekten bzw. stärkere und ungefilterte Stimmen aus dem Süden durch Blogs).

Nutzen und Risiken von NGO-Blogs wurden diskutiert (Bloggt die Organisation – öde – oder einzelne Mitarbeiter – potenziell unkontrollierbar?). Eine kostenlose, individuelle Social-Network-Lösung wurde vorgestellt (Kaioo.com stellt in diesen Tagen ein Meta-Netzwerk vor, aber wie gemeinnützig ist Kaioo wirklich?), über Open Source-Lösungen für NGOs diskutiert und gleich in der nächsten Session gefragt: Wie kann die Corporate Identity im Web 2.0 gestärkt bzw. „behalten“ werden (zum Thema NGO als Marke vgl. diese Präsentation).

Spannend ist die Frage, wie die beim Socialcamp begonnene Diskussion weitergeht. Dass das gesehen soll, darin waren sich die Teilnehmer einig, in Berlin soll das bei einem regelmäßigen Stammtisch geschehen (1. Juli, 19 Uhr, taz-Café). Eine umfangreiche Dokumentation der Session wird hier aufgebaut. Mehr Fotos vom Socialcamp gibt es hier und hier, Berichte unter anderem von Andrea Nienhaus, Richard und Patrick Jedamzik und Marcus Beckendahl.

Kurz notiert (16.04.2008)

Utopia – das Internetportal für den strategischen Konsum – sorgt mit einer Kampagne für den Wechsel zu einem Ökostromanbieter für reichlich Wirbel. Die Seite hatte im Rahmen der Kampagne ein Ökostrom-Spiel unter dem Titel „Wechseln mit Wolfgang“ mit einem Bild des ehemaligen Arbeitsministers und jetztigen RWE-Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Clement versehen. Selbiger fand dies offenbar nicht so witzig und liess durch seine Anwälte eine Abmahnung an Utopia schicken. Angegebene Streitsumme: 400.000 Euro. Herr Clement scheint leider weder Spaß zu verstehen noch die Folgen in Betracht zu ziehen: mehr Publicity für Utopia und damit mehr Ökostrom-Kunden, die im Rahmen der Kampagne wechseln werden.

Wer derweil bei seinen täglichen Recherchen im Internet etwas gutes tun will, dem sei die neue Ökosuchmaschine Ecocho ans Herz gelegt. Die Betreiber versprechen, dass sie zwei Bäume für jeweils 1000 Anfragen pflanzen werden – finanziert durch Werbung. Echocho bietet die Suche über Google oder Yahoo an, nutzt also keine eigene Technologie.

In diversen Blogs wurde in den letzten Wochen schon viel über die Idee eines SocialCamps diskutiert. Nun wird es tatsächlich stattfinden. Unter der noch etwas diffusen Beschreibung „60 Online-ExpertenInnen und 60 VertreterInnen gemeinnütziger Organisationen entwickeln zusammen neue Lösungen für eine bessere Welt“ sollen die Beiteiligten am 14. und 15. Juni 2008 im selfHUB in Berlin-Kreuzberg zusammentreffen. Eine erste Registrierung ist bei mixxt möglich. Regelmässige Updates werden auch bei Helpedia veröffentlicht.